Am 17. November kommt Masaaki Yuasas bildgewaltiges Rockmusical „Inu-Oh“ in Deutschland in die Kinos. In einem Interview hat uns der japanische Anime-Regisseur und Animator etwas über sein neuestes Werk und sein Leben als moderner Künstler erzählt.
Masaaki Yuasa ist vor allem dafür bekannt, dass er in seinen Filmen und Serien mit gängigen Sehgewohnheiten bricht. 2004 eroberte er die Filmwelt mit der außergewöhnlichen Mangaverfilmung „Mind Game“, für die er nicht nur den Ōfuji-Noburō-Preis, den großen Preis des Japan Media Arts Festival, sondern auch den Preis für den Besten Animationsfilm, die Beste Regie, das Beste Drehbuch und den Sonderpreis des Montreal FanTasia Festival erhielt.
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Rock, Klassik, Hip-Hop, Trance
Sumikai: Wer aufmerksam ist, kann aus „Inu-Oh“ viele bekannte Klänge heraushören. Welche Bands und Kunstschaffenden haben Sie besonders bei der Entwicklung des Films inspiriert und warum haben Sie sich für Rock als leitende Musikrichtung entschieden?
Masaaki Yuasa: Der Grund, warum ich Rockmusik als Richtung ausgewählt habe, ist der, dass ich mit Rock am besten darstellen konnte, dass die untere Gesellschaft nach oben „aufsteigt“. Das wollte ich darstellen. Und wie Sie sagten, dass es dort viele bekannte Klänge gibt. Man hört von Klassik bis Hip-Hop und Trance alles Mögliche.
Man weiß nicht, wie die Musik in der Vergangenheit wirklich war, aber in der Geschichte, auch in der Musikgeschichte ist es so, dass man sich die Vergangenheit vorstellt. Ich wollte, dass man in diesem Film, obwohl er in einem älteren Zeitalter spielt, denken kann: „Ach, das habe ich ja schon mal gehört. So etwas Ähnliches kenne ich.“
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Ich wollte die Musik aus der Vergangenheit, die man nicht kennen kann, mit Klängen kombinieren, die den Menschen bekannt vorkommen.
Das kann man im Film auch auf den Tanz beziehen. Es gibt dort von modernen Tänzen über zeitgenössische Tänze bis hin zu Kung-Fu-artigen Tänzen vieles, das man während des Film wiedererkennen kann. Zum Beispiel die Szene mit der Gitarre. Er hat die Gitarre hinter dem Nacken und man verbindet das gerne mit Jimi Hendrix, aber in den 50ern hat das schon ein anderer Musiker vor ihm gemacht. Schon 1600 Jahre zuvor hat man in China bereits auf diese Weise gespielt.
Was man sich vorstellen kann ist einem meistens viel, viel näher als das, was man weiß.
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Sumikai: Würden Sie sagen, dass die Geschichte der beiden Freunde ein Happy End hat? Ganz persönlich?
Masaaki Yuasa: Ja, ich würde schon sagen, dass es ein Happy End gibt. Natürlich gab es tragische Situationen, aber ich würde sagen, dass es ein Happy End war.
Was die beiden geleistet haben, wurde leider durch dieses Zeitalter verheimlicht, aber was wichtig ist, ist, dass die beiden Freunde sich gegenseitig hatten. Sie waren für einander da und das ist der wichtige Punkt.
Sumikai: Das ist sehr interessant, da es durchaus wahrscheinlich ist, dass die deutsche Zuschauerschaft gerade explizit das Ende als eher negativ auffassen wird.
Masaaki Yuasa: Ja, natürlich ist es möglich, dass man das auch so sieht, aber ich glaube, dass man es damals nicht für wichtig gehalten hat, dass man das weitergibt, was man selber gemacht hat. Es ist nicht wichtig, dass es mit diesen beiden zu Ende war, sondern, dass man weiß, dass man sich kennt und sich versteht. Das ist wichtig.
In der jetzigen Zeit ist es so, dass man sich nicht genügend Zeit für so etwas nimmt, weil man denkt „Okay, den kenne ich jetzt. Das weiß ich jetzt.“ und dann einfach weitergeht. Man nimmt sich einfach nicht so viel Zeit, um tiefer hineinzugehen und jemanden zu verstehen, und das finde ich schade. Diese beiden Freunde wissen auch, wenn sie nicht von vielen Leuten verstanden werden, es dennoch zumindest diesen einen Menschen gibt, der sie wirklich versteht. Das ist das Glückliche an diesem Ende.
Das, was ich über die Verhältnisse heute gesagt habe, mag in der Darstellung etwas negativ gewesen sein. In diesem heutigen Zeitalter mit dem Internet kann man auch Leute kennenlernen, die auch ein tieferes Wissen mit jemandem teilen und sich mit einer Nische verbinden können. Das hat auch positive Seiten.
Sumikai: Was fasziniert Sie so am Animationsgenre?
Masaaki Yuasa: Es gibt viele Merkmale, die am Animationsgenre sehr faszinierend sind. Es geht ja nicht nur darum, dass wir hier bewegte Bilder haben. Durch Anime kann man sowohl etwas Reales als auch etwas Surreales und Abstraktes darstellen.
Als Kind habe ich persönlich die Welt oder das Leben sehr kompliziert gefunden. Durch Anime jedoch kann man Dinge sozusagen so zeigen, wie man sie am besten erklären kann. Zudem steht einem bei Bedarf die Möglichkeit offen, Sachen abstrakt darzustellen. Das ist auch ein sehr interessanter Fakt.
Im Film sieht man die Situation im direkten Zusammenhang mit mehreren Bildern, aber im Anime kann man wirklich jedes Bild so gestalten, wie man es möchte. Man kann es so gestalten, dass es am Ende genau das zeigt, was man zeigen möchte.
Sumikai: Haben Ihre Filme in irgendeiner Form einen biographischen Anteil? Momente, in denen Sie sich selbst ausleben und am Ende auch wiederfinden können?
Masaaki Yuasa: Ich würde nicht sagen, dass es eine direkte Biographie ist, aber ich versuche, in meinen Werken immer auch meine eigenen Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Was außerdem sehr wichtig ist, dass ich viele Sachen, die ich persönlich interessant finde und an die Leute weitergeben möchte, in meine Werke hineinbringe.
Sumikai: Gibt es bestimmte Themen, die Sie in Zukunft in Ihren Werken auf jeden Fall noch behandeln möchten, die Sie vielleicht bisher noch nicht behandelt haben?
Masaaki Yuasa: Ja, ich will und wollte mich auch früher schon mal thematisch mit der Frage befassen, ob etwas sehr Schönes, Hübsches, ob es das „wert“ ist. Das würde ich gerne im Rahmen einer Komödie behandeln.
Außerdem würde ich mich gerne mit der Kraft des alltäglichen Lebens beschäftigen. Wie Dinge, die über die großen Dinge entscheiden und real werden. Man kann diese Kraft nicht ändern, aber es wäre interessant, sich damit zu beschäftigen, ob man nicht durch sich selbst, also durch die eigene Kraft auch kleinere Dinge vielleicht ändern oder bewegen kann.
Sumikai: Welches Ihrer Werke würden Sie der deutschen Zuschauerschaft als Einstieg in Ihre Animationswelt empfehlen?
Masaaki Yuasa: Für alle, die gerne Sport machen, ist „Ping Pong“ vielleicht interessant. Während man ein bisschen was trinkt und viele Leute kennenlernt, passt „Night is Short, Walk on Girl“. Oder für Kinder vielleicht „Lu over the Wall“.
Inu-Oh – die Liebe zur Musik
In „Inu-Oh“ geht es um zwei ausgegrenzte junge Männer, die ihrem Schicksal mutig entgegentreten und ihr Glück in die eigenen Hände nehmen wollen. Was Inu-Oh und Tomona verbindet, ist ihre Liebe zur Musik. Aus dieser besonderen Hingabe erwächst eine Freundschaft, die es mit allen Widrigkeiten aufnehmen kann.
Sie bleiben sich treu, unterlaufen gesellschaftliche Vorurteile und schaffen es letztendlich sogar, zu kulturellen Ikonen aufzusteigen. Ihre einzigartige und völlig neuartige Musik berührt und bewegt das Volk, aber nicht alle beobachten diese Entwicklung mit Wohlwollen…
Die Geschichte von Masaaki Yuasas „Inu-Oh“ basiert auf einer japanischen Legende aus dem 14. Jahrhundert, die in ihrem Kern kaum zeitloser sein könnte. Die Protagonisten haben mit Problemen zu kämpfen, die auch heute noch im Leben vieler Menschen eine große Rolle spielen. Passt man sich der Masse und den Erwartungen der Gesellschaft an? Oder steht man für seine andersartigen Überzeugungen ein, die einem höchstwahrscheinlich den Kopf kosten werden?
Eine Übersicht über alle Kinos, in denen ihr „Inu-Oh“ ab dem 17. November in Deutschland sehen könnt, findet ihr auf der offiziellen Website von Rapid Eye Movies.